Noémie Videaud-Maillette über Dokumentartheater als Mittel zur (Umwelt-)Bewusstseinsbildung
Theater ist mehr als Kulisse und Dialog. Es kann Debatten anstoßen, Menschen bewegen, Veränderungen lostreten. Noémie Videaud-Maillette, Theaterschaffende, Forscherin und Doktorandin an der Université du Québec à Montréal, ist davon überzeugt: „Wir müssen über Umwelt sprechen, aber nicht als mahnende Predigt, sondern als Geschichte, die wir alle leben.“ Ihr Mittel: Das Dokumentartheater.
Theater als Zugang zur Nachhaltigkeit
Dass Theater Menschen zusammenbringen und mehr Hypes auslösen kann als Social Media, hat sich in Québec bereits gezeigt. Hydro Québec, eines der grossten Wasserstoffproduzenten der Welt, hat in Kooperation mit der kanadischen Dramaturgien Christine Beaulieu das Dokumentartheaterprojekt J’aime Hydro, entwickelt.
Es zog Menschen ins Theater, die eigentlich keine Theatergänger waren und aus dem Theaterstuck entstand ein Buch. Worin lag der Erfolg?
Dramaturgin Bealieu setzte Wert darauf, dass die Zuschauer eine Protagonistin sehen konnten, die dieselben Fragen stellt wie sie und dieselben Gefühlswelten erlebt. Dadurch war das Thema nicht trocken, sondern nahbar. „Theater schafft Empathie und Momentum“, erklärt Videaud-Maillette. „Es ist nicht abstrakt, nicht auf einem Handy, sondern direkt mit uns und im selben Raum.“
Nachhaltige Mode auf der Bühne
Nicht nur Energie, auch Mode ist ein Thema Noémies Arbeit. Die Kleidungsindustrie ist eine der größten Umweltbelastungen unserer Zeit. Doch wie bringt man Menschen dazu, ihr eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen?
Videaud-Maillette setzt auf den persönlichen Bezug: „Wir alle haben Lieblingskleidungsstücke, die Geschichten erzählen. Warum also nicht über Mode sprechen, indem wir unsere eigene Beziehung zu Kleidung auf die Bühne bringen?“
Ihre Theaterprojekte sollen genau das tun: Menschen über ihre Garderobe zum Nachdenken anregen. „Wenn wir darüber reden, wie unsere Kleidung und Identität zusammenhängen, lernen wir sie zu schätzen – und damit auch die Möglichkeit, unser Verhalten zu ändern.“
Greenwashing und neue Gesetze
In der Mode- und Konsumwelt spielt Greenwashing eine große Rolle. Unternehmen schmücken sich mit Nachhaltigkeitssiegeln, die oft nicht mehr als schöne Worte sind. Damit soll nun Schluss sein: Die EU hat Anfang 2024 neue Regeln erlassen, um Verbraucher vor irreführenden Umweltclaims zu schützen (consilium.europa.eu).
„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Videaud-Maillette. „Aber die Frage dahinter bleibt: Wie können wir Konsumenten erreichen? Wie können wir Nachhaltigkeit so vermitteln, die echtes Interesse weckt?“
Theater als Experimentierraum
Die nächsten Schritte ihrer Arbeit führen Noémie weiter in den Austausch mit verschiedenen Akteuren. In interaktiven Theaterformaten sollen Zuschauer nicht nur Konsumenten, sondern Mitgestalter sein. „Ich möchte Workshops schaffen, in denen Menschen sich selbst in der Thematik wiederfinden. Wo sie nicht nur Zuschauer sind, sondern Teil des Prozesses. Nachhaltigkeit ist keine Theorie – sie muss erfahrbar werden.“
Noémie Videaud-Maillette schafft Begegnungen durch Empathie und Identifikation. Der Schlüssel zu uns selbst als Tür für Veränderung.
Noémie freut sich über Teilnehmende aus aller Welt – kontaktiert sie gerne bei LinkedIn, wenn ihr mitgestalten wollt!
Das Originalinterview (französisch) findet ihr auf Spotify und Podbean: